Wie du in 30 Minuten einen Song schreibst
Ein praktischer Leitfaden zum Songwriting mit einfacher Musiktheorie
In diesem Artikel zeige ich dir, wie einfach das Schreiben eines Liedes tatsächlich sein kann. Wir werden gemeinsam einen kompletten Song entwickeln – von der ersten Idee bis zur fertigen Aufnahme. Das Ganze dauert nicht Jahre, nicht Monate, sondern etwa 20 bis 30 Minuten.
Warum ist das so einfach? Weil die Musiktheorie dahinter so einfach ist. Wenn du die Grundprinzipien verstehst, kannst du sie immer wieder anwenden.
Wo fängt man an? Melodie oder Akkorde?
Beim Songwriting gibt es zwei Hauptansätze:
- Die Melodie zuerst: Manche Songwriter finden erst eine Melodie, und der Rest ergibt sich daraus.
- Die Akkordfolge zuerst: Andere finden erst eine Akkordfolge, und daraus entwickelt sich das Lied.
Unsere Perspektive: Es ist eigentlich egal, womit du anfängst. Beide Wege basieren auf der gleichen Grundlage – nämlich auf einer Tonart.
Was ist eine Tonart?
Eine Tonart besteht aus:
- Einem Grundton (zum Beispiel G)
- Einer Tonleiter (zum Beispiel Dur)
Eine Tonleiter ist eine Auswahl an Tönen, die alle gut zueinander passen. Wenn du in einer Melodie oder Akkordfolge spielst, bewegst du dich meist innerhalb dieser Tonart. Das gibt deinem Lied einen zusammenhängenden Klang.
Schritt 1: Wähle eine Tonart
Für unseren Song nehmen wir G-Dur.
Die G-Dur-Tonleiter entsteht, indem wir vom Ton G aus die Dur-Formel anwenden: 2 - 2 - 1 - 2 - 2 - 2 - 1 (das sind die Abstände zwischen den Tönen).
Die Töne der G-Dur-Tonleiter:
- G (Grundton)
- A
- B (oder H)
- C
- D
- E
- F♯ (oder Fis)
- G (wieder der Grundton, eine Oktave höher)
Das ist unser Tonmaterial. Mit diesen sieben Tönen können wir Melodien und Akkorde bauen.
Die Akkorde der G-Dur-Tonleiter:
Aus den Tönen einer Tonleiter ergeben sich automatisch bestimmte Akkorde:
- G-Dur
- A-Moll
- B-Moll
- C-Dur
- D-Dur
- E-Moll
- F♯ vermindert (den lassen wir erstmal weg – er ist für Anfänger nicht so wichtig)
Alle diese Akkorde passen grundsätzlich gut zusammen, weil sie aus der gleichen Tonleiter stammen.
Schritt 2: Baue eine Akkordfolge
Wir entscheiden uns, mit den Akkorden anzufangen. Unser Ziel: eine einfache Akkordfolge für die Strophe des Songs.
Die Struktur: 4 Takte
Ein Takt ist eine rhythmische Einheit: 1 - 2 - 3 - 4. Wir nehmen vier Takte, das heißt, wir haben vier solcher Einheiten.
Akkorde auswählen
Jetzt wählen wir einfach ein paar Akkorde aus unserer Liste aus:
- Takt 1: G-Dur
- Takt 2: E-Moll
- Takt 3: D-Dur
- Takt 4: D-Dur (nochmal)
Eine Variante ausprobieren
Was wäre, wenn wir statt E-Moll einen anderen Akkord nehmen? Probieren wir A-Moll:
G-Dur – A-Moll – D-Dur – D-Dur.
Wir haben subjektiv entschieden, dass uns der E-Moll-Akkord besser gefällt. Also bleiben wir bei der ersten Version.
Fertig ist unsere erste Akkordfolge!
Schritt 3: Eine zweite Akkordfolge für den Refrain
Die meisten Songs bestehen aus verschiedenen Teilen: Strophe, Refrain, Bridge usw. Diese Teile haben oft unterschiedliche Akkordfolgen.
Für den Refrain wollen wir mehr Bewegung. Das heißt: nicht zweimal denselben Akkord hintereinander, sondern in jedem Takt einen Wechsel.
Akkorde für den Refrain:
- Takt 1: A-Moll (den hatten wir vorhin aussortiert – jetzt kommt er zurück!)
- Takt 2: C-Dur
- Takt 3: G-Dur
- Takt 4: D-Dur
Das klingt so: A-Moll – C-Dur – G-Dur – D-Dur.
Funktioniert das? Ja! Es hat genug Abwechslung und passt trotzdem zum Rest des Songs.
Ein kleiner Trick zum Abschluss
Nachdem wir den Refrain gespielt haben, wollen unsere Ohren noch einmal zurück zum G-Dur als Abschluss, bevor die nächste Strophe beginnt. Das gibt dem Ganzen ein Gefühl von Vollständigkeit.
Schritt 4: Tempo und Schlagzeug
Bevor wir weiter machen, müssen wir entscheiden: Wie schnell soll das Lied werden?
Wir probieren verschiedene Tempi aus:
- 85 Schläge pro Minute? Zu langsam.
- 95 Schläge pro Minute? Besser!
- 100 Schläge pro Minute? Ja, das fühlt sich gut an – ein bisschen mehr Energie. Das alles ist subjektiv und Du kannst es selber für Dich ausprobieren.
Dazu wählen wir ein einfaches Schlagzeug-Pattern aus unserem Aufnahmeprogramm. Fertig!
Jetzt haben wir:
- Eine Akkordfolge für die Strophe
- Eine Akkordfolge für den Refrain
- Ein Tempo
- Einen Beat
Schritt 5: Eine Melodie schreiben
Jetzt wird's kreativ. Wir schreiben eine Melodie für die Strophe. Und auch hier nutzen wir wieder die Töne aus der G-Dur-Tonleiter: G, A, B, C, D, E, Fis.
Rhythmus vorgeben
Zuerst legen wir einen Rhythmus fest – also die zeitliche Abfolge der Töne.
Töne auswählen
Jetzt „würfeln" wir mit den Tönen aus unserer Tonleiter. Wir könnten systematisch vorgehen, aber machen wir es intuitiv - so kannst Du es auch probieren:
Interessant! In jedem Fall müssten fast alle Kombinationen funktionieren. Vielleicht müssen wir ein paar Töne anpassen, aber die Grundstruktur passt.
Schritt 6: Eine Melodie für den Refrain
Die Schritte sind jetzt ähnlich. Wir entscheiden uns nur vorher, dass wir für den Refrain wollen wir etwas Geradlinigeres, mit mehr Wiederholung und weniger großen Sprüngen.
Zusammen mit den Akkorden
Jetzt der spannende Moment: Wie klingt die Melodie zusammen mit den Akkorden?
Wir nehmen alles auf und hören es ab.
Ergebnis: Es passt erstaunlich gut! Die Melodie und die Akkorde ergänzen sich, obwohl wir relativ zufällig Töne ausgewählt haben.
Natürlich ist das noch Geschmackssache. Manche würden vielleicht mehr Abwechslung wollen, andere längere Töne. Aber das Grundprinzip funktioniert: Die Tonleitertöne und die Akkorde passen fast immer wie automatisch zusammen. Falls nicht, kannst Du innerhalb der Tonleiter ein paar Töne Akkorde ausprobieren, und Du wirst immer etwas Passendes finden.
Zusammenfassung: So schreibst du einen Song
Hier ist der Prozess noch einmal Schritt für Schritt:
1. Wähle eine Tonart
- Entscheide dich für einen Grundton (z. B. G)
- Wähle eine Tonleiter (z. B. Dur)
- Notiere alle Töne dieser Tonleiter
2. Finde die passenden Akkorde
- Leite aus der Tonleiter die zugehörigen Akkorde ab
- Das sind die Akkorde, mit denen du arbeiten kannst
3. Baue Akkordfolgen
- Wähle ein paar Akkorde aus und reihe sie aneinander
- Probiere verschiedene Kombinationen aus
- Baue unterschiedliche Akkordfolgen für Strophe und Refrain
4. Schreibe Melodien
- Nutze die Töne aus deiner Tonleiter
- Gib der Melodie einen Rhythmus
- Probiere verschiedene Tonfolgen aus
- Höre, wie die Melodie zu den Akkorden klingt
5. Verfeinere und experimentiere
- Tausche Akkorde aus, wenn etwas nicht passt
- Ändere einzelne Töne in der Melodie
- Probiere verschiedene Tempi aus
- Füge weitere Elemente hinzu (Schlagzeug, Bass, etc.)
Warum funktioniert das?
Das Geheimnis liegt in der Tonleiter. Wenn du innerhalb einer Tonleiter bleibst, passen alle Töne und alle Akkorde grundsätzlich zusammen. Du bewegst dich in einem sicheren Rahmen, in dem du frei experimentieren kannst.
Das bedeutet nicht, dass jede Kombination perfekt klingt. Aber es bedeutet, dass du nicht völlig daneben liegen kannst. Du musst nur ausprobieren und entscheiden, was dir gefällt.
Die gleichen Regeln immer wieder
Diese Prinzipien gelten nicht nur fürs Songwriting. Sie helfen dir auch beim Raushören von Liedern:
- Du findest heraus, in welcher Tonart ein Lied ist
- Dann weißt du, welche Akkorde darin vorkommen könnten
- Du probierst diese Akkorde aus
- Du weißt auch, welche Töne in der Melodie vorkommen könnten
- Du probierst die Melodie aus
Es sind immer die gleichen Wissensbausteine.
Für Anfänger begreifbar
Das ist der Punkt, an dem Musik für Anfänger plötzlich begreifbar wird. Du musst nicht jedes Mal von null anfangen. Du musst nicht raten. Du hast Regeln, an denen du dich orientieren kannst.
Diese Regeln sind:
- Nicht kompliziert
- Nicht schwer zu lernen
- Universell anwendbar
Wenn du sie einmal verstanden hast, kannst du sie immer wieder benutzen – für jeden Song, den du schreibst.
Der kreative Prozess
Natürlich heißt das nicht, dass du immer exakt nach diesem Schema vorgehen musst. Viele Songwriter wachen morgens mit einer Melodie im Kopf auf und finden dann Akkorde, die dazu passen. Super!
Aber wenn du nicht weiterkommst, wenn du für ein Lied noch einen Teil brauchst – einen Chorus, eine Bridge, ein Outro – dann hilft dir dieses Wissen. Du schaust in die Tonleiter, in der du arbeitest, und weißt: Das sind die Töne und Akkorde, die funktionieren werden.
Dann probierst du aus, experimentierst, verfeinerst – aber du tust das in einem Bereich, von dem du weißt, dass er funktioniert.
Dein erster Song
Jetzt bist du dran! Nimm die Schritte aus diesem Artikel und schreib deinen ersten Song:
- Wähle eine Tonart (vielleicht C-Dur für den Anfang – das ist die einfachste)
- Schreib dir die Töne und Akkorde auf
- Bau eine einfache Akkordfolge (4 Takte reichen)
- Erfinde eine Melodie mit den Tönen der Tonleiter
- Nimm es auf (auch nur am Handy) und hör es dir an
Du wirst überrascht sein, wie gut es funktioniert.
Viel Erfolg und viel Spaß beim Komponieren!